Nach zahlreichen Rissen durch den Wolf setzt die Alpgenossenschaft Stutz auf umfangreichen Herdenschutz. Bestösser, Pächter und Hirt Philipp Jacobi sömmert damit seine Schafherde in Splügen.
Wie ein umgesetzter Herdenschutz funktionierten kann, zeigt das Beispiel auf der Galtvieh- und Schafalp «Stutz» nördlich von Splügen im Rheinwald. Eigentümer des rund 443 Hektar grossen Alpgebietes sind sieben Bergbauern aus Sufers und dem Schamserberg.
Genossenschaftsbetrieb wird zur Pachtalp
Bis vor wenigen Jahren haben diese als Alpbewirtschafter die Doppelalp selbst organisiert und bestossen. Sprich Alpersonal angestellt aber auch zahlreiche Zäune auf der Schafalp errichtet. Die 110 Stück Rinder, Mutterkühe, Mesen, Kälber und Galtkühe stammen von ihnen, die rund 500 Schafe von verschiedensten Bauern aus Graubünden und benachbarten Kantonen. Die Schafweiden sind gegen Südosten ausgerichtet und reichen von 1’900 bis auf 2’400 m.ü.M..
Was das Zäunen an den steilen Hängen anging, erinnert sich Alppräsident Peider Michael: «Ich war der Meinung, dass wir damit aufhören müssen. Wir haben unser Leben riskiert.» Ein Fehltritt beim nicht alltäglichen Gemeinwerk und man liegt im Stutzer Tobel. So wurde die Schafalp ab 2013 verpachtet und die eigenen Rinder zur Hirtschaft an den Pächter gegeben. Bis 2018 ein einziger Wolf 56 Schafe riss und das Pachtverhältnis noch durch weitere Gründe ins Schwanken geriet.
Pächter- und Hirtenwechsel
Unter den zahlreichen Schafhaltern bahnte sich allerdings eine neue Lösung an. So kam Philipp Jacobi aus Meikirch bei Bern ins Spiel. Der Berufsschäfer suchte seit langem eine geeignete Möglichkeit für die Sömmerung seiner Herde. Er selbst verlor im Sommer 2018 rund 83 Schafe auf Alp Stutz und das nicht nur durch den Wolf. Im Gespräch mit Alpmeister Kasper Nicca aus Sufers wurde klar, dass beide Seiten auf der Suche waren. «Ich hatte keine Alperfahrung» gibt er zu, und aufgrund einer erfolglosen Suche nach einem kompetenten und bezahlbaren Schafhirten, entschloss sich Jacobi, selbst Älpler zu werden. Die Sommerarbeit auf dem eigenen Betrieb übergab er seinem Verpächter vom Talbetrieb. «Ich freue mich jeden Tag wieder z’Alp zu gehen», äussert er im neuen Jahr vor seinem zweiten Alpsommer.
Herdenschutzkonzept erstellt
Nach einem Treffen mit den zuständigen kantonalen Ämtern wurde 2019 ein Herdenschutzkonzept ausgearbeitet, unterstützt durch Jan Bohner, Herdenschutzbeauftragter Plantahof. Eine Bedingung war, die Einrichtung von Nachtpferchen in jeder einzelnen Abteilung, inklusive ausreichend Zaunmaterial.
Ebenso wurde ein Weideplan für den zeitlichen Ablauf berechnet und erstellt, damit es zu keiner Überbestossung der Flächen kommt. Die Alpgenossenschaft konnte zudem rund 25 Hektar dazu pachten, was dem Pächter zwei zusätzliche Weidekoppeln einbrachte. Damit die Hirtschaft eine höhere Präsenz bei den Schafen zeigen kann, wurde ein Wohncontainer angeschafft und in Mitten des Alpgeländes auf dem oberen Plato platziert. Dessen Kosten inklusive Zaunmaterial aus den Vorjahren belaufen sich auf rund 35’000.- Franken.
Die Weiden gegen oben gehen in unproduktives Gelände über, mit vielen natürlichen Grenzen. Auch in Richtung Tobel muss nicht alles gezäunt werden. Dafür setzt Jacobi alle gesteckten Netze unter Strom, damit die Schafe konsequent drinnen bleiben. Insgesamt sind das fünf Kilometer Flexinetz und allein die Hälfte davon braucht es für die Nachtpferche. Dazu sind sechs Viehhüter im Einsatz: Die kleineren mit Trockenbatterie für die kurzen Zäune und zwei starke mit Solarpanel für die langen Distanzen.
Erster und letzter Riss
Die für eine Schafalp üblichen Abgänge lagen nach Jacobi 2019 im vertretbaren Rahmen. Nach dem erstem Riss im Oberplato dachte er sich allerdings: «Jetzt gehts los!» In der ersten Nacht auf dem Plato am 04. August 2019 Riss ein Wolf auf der mittleren Weide ein Lamm. Dieses Ereignis hatte zur Folge, dass in den Nächten danach alle Schafe gepfercht wurden, was rund vier Stunden dauerte. Mit diesem einmaligen Angriff hatte Jacobi Glück gehabt, so seine eigene Einschätzung. «2020 könnte es durch das Beverinrudel schwieriger werden», vermutet er.
Alleine die gesamte Herde zu pferchen sei auf dem Oberplato fast nicht möglich, weiss er aus Erfahrung. Doch Jacobi zeigt sich optimistisch, denn ein Teil seiner Schaft ist diesen Ablauf nun gewohnt. Reine Wanderherden hätten dieses nützliche Herdenverhalten und kämen unterstützt durch Hütehunde auf Rufen. Bei einem Koppelsystem wie Jacobi es auf dem Heimbetrieb und auf Alp Stutz praktiziert, ist das viel weniger der Fall.
Verstärkung für Sommer 2020
Kommenden Sommer bringt er ausschliesslich eigene Schafe auf Alp Stutz. Zudem begleiten ihn wieder seine drei ausgebildeten Border Collies. Neu mit dabei werden zwei eigene Herdenschutzhunde der Rasse Kangal sein, die er in Deutschland kaufen konnte. Ihr Wesen sei ruhiger und angenehmer, als das anderer Schutzhunde. Ursprünglich wollte er den offiziellen Weg für «Herdenschutzhunde» einschlagen, sah sich aber einseitig beraten. Dem jungen Unternehmer ist das zu viel Bürokratie und eine Monopolstellung bei der Vergabe von Schutzhunden. Er entschied sich deshalb nach gründlichem Abwägen und Besuchen bei Schafhaltern mit Kangals für diese anatolischen Herdenschutzhunde. Sein Ziel ist es: «möglichst wenig Verluste durch den Wolf» zu erleiden, und da brauche es Eigenverantwortung.
Rückblick und Ausblick
Der erste Sommer konnte als Erfolg gewertet werden, ist Peider Michael überzeugt: «Es hat sich wirklich gelohnt», sagt er rückblickend zum Aufwand auf Alp Stutz. Und mit Pächter Jacobi haben die Alpgenossen inzwischen einen Dreijahresvertrag abgeschlossen.
Als zukünftige Neuerung schwebt dem Alppräsidenten eine Brücke über den Stutzbach vor. «Es ist ein breites Tobel und nicht nur eine Schlucht», bedauert er. Solch eine Brücke würde den Übergang zu den Schafweiden verkürzen und unabhängig von Schneemenge und Schmelzwasser im Frühjahr machen. Schliesslich sind die Schafe zu Beginn der Alpzeit das unwegsame Gelände noch nicht richtig gewohnt.
Eine zusätzliche Herausforderung im Sommer 2020 für Alpbestösser und Pächter wird neben dem wiederholten Herdenschutz und einer möglichen Wolfspräsenz, auch die Erfassung und TVD-Meldung der rund 800 Schafe mit neuerdings zwei Ohrmarken sein.
Weiterführende Links:
Schäferei Jacobi
Herdenschutz Schweiz
Plantahof Herdenschutz