Die definitiven Ergebnisse diverser DNA Analysen zeigen eindrücklich, welch grosse Distanzen der eurasische Wolf auf sich nimmt, um neue Gebiete zu erschliessen und wie wichtig die DNA-Analysen für das Monitoring sind. Er legt nicht nur grosser Strecken innerhalb von Graubünden zurück, sondern in ganz Europa.
Beim Wolfsrüden, der am 6.11.2020 in Furna identifiziert werden konnte, handelt es sich um einen Wolf aus dem Mitteleuropäischen Flachland. Dieser hat die Kennnummer M162. Bisher sind im Kanton Graubünden fast ausschliesslich Wölfe aus Italien registriert worden. Aus demselben Grund ist die Bestätigung eines Wolfes, welcher sich im letzten Sommer in Pontresina aufhielt bemerkenswert. Dieser hat die Kennnummer M161 und stammt aus dem Gebiet Dinarisch-Balkan. Die DNA-Probe des Wolfes konnte bei einem stark angefressenen bzw. gerissenen Kalb sichergestellt werden.
Wölfe dringen in angrenzende Reviere ein
Auch die Wölfin, welche am 4.01.2021 bei einem Verkehrsunfall verletzt aber nicht getötet wurde, konnte identifiziert werden. Es handelt sich um die Jungwölfin F82. Dieses Tier wurde im 2020 geboren und stammte vom Valgronda-Rudel ab. Es wird als aussergewöhnlich angesehen, dass sich die Streifgebiete des Valgronda-Rudel und des Ringelspitz-Rudels rund um den Piz Mundaun so stark überlappen.
Identität der gerissenen Wölfe bekannt
Bei der am 7.1.21 bei Pigniu gerissenen Wölfin handelt es sich um das Elterntier F33 des Ringelspitzrudels. Zumindest stammen die Welpen aus den Jahren 2018 und 2019 von dieser Wölfin ab. Ob sie auch die Mutter der Welpen aus dem Jahr 2020 ist, müssen weitere Untersuchungen klären. Die am 21.12.2020 in Siat gerissenen Wölfin hat die Kennnummer F84. Es ist noch offen, von welchem Rudel dieses Tier abstammt.
Quelle: Medienmitteilung des AJF vom 6.4.2021
Hintergrundwissen Revierverhalten und Ausbreitung
Die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in der Schweiz nachgewiesenen Wölfe gehen auf von Süden eingewanderte Individuen aus der italienisch-französischen Population zurück. Aufgrund genetischer Analysen steht nun fest, dass neuerdings auch einzelne Individuen aus den nördlichen (Deutschland-Polen) und östlichen (Slowenien-Kroatien) Wolfspopulationen in die Schweiz eingewandert sind.
Fachlich erstaunt dieser Sachverhalt eigentlich nicht sonderlich, handelt es sich beim Wolf doch um eine Wildtierart mit einem natürlicherweise sehr grossem Ausbreitungspotenzial. Bereits mehrfach wurden mehrere hundert Kilometer weite Wanderungen von Einzelindividuen belegt. Zudem sind Wölfe nicht auf ausgedehnte Wildnisgebiete angewiesen, sondern kommen auch in der vom Menschen stark geprägten Kulturlandschaft gut zurecht.
Fachleute haben die Einwanderung von Wölfen aus Norden und Osten in die Schweiz schon länger für wahrscheinlich beurteilt. Aus populationsbiologischer Sicht kann ein Austausch zwischen den verschiedenen Wolfspopulationen Europas als sinnvoll erachtet werden. Gleichzeitig scheint damit eine neue Phase in der Dynamik der Wolfspopulation Europas erreicht worden zu sein. Für die Behörden und die betroffenen Bevölkerungsgruppen dürften zielführende Massnahmen zur raschen Lösung von bestehenden Konflikte mit dieser einheimischen Tierart deshalb noch wichtiger werden.
Quelle: Dr. Claudio Signer, Forschungsgruppe Wildtiermanagement, ZHAW, Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen